Anna Baar

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Gestern war, der im Claassen Verlag erschienene Roman „Serpentinen“ von Bov Bjerg (im Bild links) das Thema in der Virtuellen Literaturlounge, heute steht die in Klagenfurt lebende Schriftstellerin Anna Baar im Mittelpunkt. Das schöne, bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur 2018 entstandene, Foto von Elisabeth Peutz dokumentiert sozusagen die „Staffelübergabe“. Herzlichen Dank, Elisabeth!

"Wer aber nicht hineinwühlt, mitten ins schwärzeste Schweigen hinein, dem steht es gar nicht zu, ein Wort zu ergreifen", so leitet Anna Baar

einen Essay, in dem sie sich mit dem „Fall Dr. Franz Wurst“ auseinandersetzt, ein. Der Kinderpsychiater Franz Wurst wurde wegen sexueller Nötigung zahlreicher minderjähriger Patient*innen des damaligen Landeskrankenhauses Klagenfurt verurteilt. Der Text ist Anfang März 2020 in der Kleinen Zeitung erschienen und in der Onlineausgabe KleineZeitung.at nachlesbar:

Der Essay wurde auch in der Tageszeitung Die Presse abgedruckt:

„Franz Wurst, 1920 in Wien geboren, war ab 1951 Kinderpsychiater in Kärnten. Ihm unterstand ein Kinderheim. Das offizielle Kärnten– etwa der damalige Landeshauptmann Leopold Wagner und Gesundheitsreferent Rudolf Gallob (beide SPÖ), deckten Wurst. „Du sollt das nicht lesen, sondern ablegen“, wurde einer Mitarbeiterin über die Beschwerdefälle gesagt. Ein Umstand, der erst jüngst durch die Arbeit der Opferschutzkommission bekannt wurde. Das Land Kärnten hat mittlerweile die Opfer um Entschuldigung gebeten, 1,54 Millionen Euro Entschädigung wurden gezahlt.“ (KleineZeitung.at)

Der Text von Anna Baar wurde bei einer, vom Land Kärnten Ende Jänner 2020 durchgeführten, Entschuldigungsveranstaltung mit dem Titel „Geste der Verantwortung“ als Rede verlesen.
Wenn die Autorin davon spricht, „mitten ins schwärzeste Schweigen“ hinein zu wühlen, um dann das Wort ergreifen zu können, so skizziert sie damit meiner Ansicht nach Grundzüge ihrer Poetik, in welcher die Wahrheit dem Menschen – nach wie vor und mehr denn je – „zumutbar“ ist und das Wort zu ergreifen Aufgabe der Schriftsteller*innen. „Verdrängen, Vergessen, Verschweigen“ – das sei „lange der politische Triathlon im Süden“ gewesen, so Anna Baar in einem Text der im März 2018 in der Tageszeitung Der STANDARD veröffentlicht worden ist.


Anna Baar

wurde 1973 in Zagreb im damaligen Jugoslawien als Tochter einer dalmatinischen Mutter und eines österreichischen Vaters geboren. Die ersten vier Lebensjahre verbrachte sie mit ihren Eltern im internationalen Studentenheim Haus Döbling in Wien, die Sommer bei den Großeltern mütterlicherseits auf der dalmatinischen Insel Brač.

Im Spätherbst 1977 übersiedelte die Familie nach Klagenfurt, die Heimatstadt des Vaters, wo Anna Baar ihre Schulzeit verbrachte. Nach der Matura am Musikzweig des Stiftsgymnasiums Viktring kehrte sie 1991 nach Wien zurück, wo sie ein Medizinstudium begann, das sie nach drei Semestern abbrach, um es mit Publizistik, Theaterwissenschaft und Öffentlichkeitsarbeit zu versuchen. 1999 schloss sie ihr Studium ab und promovierte 2008
Rund zwanzig Jahre lang habe sie dann „mehr oder weniger vom Schreiben gelebt (…) also von Auftragsarbeiten“. Ein Plakat der Stadtwerke Klagenfurt (STW) habe sie dazu animiert sich mit lyrischen Texten beim Kärntner Lyrikpreis zu bewerben. Prompt gewann Anna Baar den Hauptpreis. „Nach der Verleihung des Kärntner Lyrikpreises“ habe sie, so Baar „den Dichter, Übersetzer und Literaturwissenschaftler Fabjan Hafner“ kennengelernt: „Er war es, der mich zur ersten Veröffentlichung eines Prosatextes anstiftete. Zwei Jahre später ging daraus mein erster Roman hervor."

Auf Einladung von Stefan Gmünder, der als Literaturredakteur bei der Tageszeitung Der STANDARD tätig ist, las Anna Baar im Jahr 2015 bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur einen Auszug aus ihrem Text „Die Farbe des Granatapfels“:

Video: Porträt, Lesung & Diskussion

Anna Baars Debütroman „Die Farbe des Granatapfels“ erschien im Sommer 2015 im Wallstein Verlag und stand drei Monate auf Platz 1 der ORF-Bestenliste.


Inhalt

Sommer für Sommer findet ein Mädchen sich fernab seiner österreichischen Heimat auf einer dalmatinischen Insel in der Obhut der Großmutter, nur einen Steinwurf vom Meer entfernt unter dem Blätterdach der Mandelbäume im Lärm der Zikaden. Es hat etwas Paradiesisches und ist zugleich doch auch das Andere, Fremde. Hier die archaische Inselwelt eines Fischerdorfs im Mutter- und Großmutterland, wo man Marschall Tito und seinen Partisanen huldigt und den Sieg über die Deutschen feiert, während die abermals über das Land kommen, diesmal willkommen - als zahlende Touristen. Dort das bürgerliche, behütete Leben in einer österreichischen Provinzhauptstadt (Vaterland), in der sich der nationalsozialistische Bodensatz lange hartnäckig hält und Jugoslawen hauptsächlich als Gastarbeiter in Erscheinung treten.

Der österreichische Radiosender Ö1 berichtete über Anna Baars „bemerkenswerten Debüterfolg“:

„`Die Farbe des Granatapfels´ ist keine Gegenwartsliteratur, sondern Zukunftsliteratur. Ein Roman-Sprachwerk sondergleichen.“ Josef Winkler

Für die Arbeit an ihrem zweiten Roman „Als ob sie träumend gingen“, der ebenfalls bei Wallstein erschienen ist, erhielt Baar den Theodor Körner Förderpreis. In der Leselounge des Büchereiverbandes Österreich gab die Schriftstellerin Ende Oktober 2017 – im Gespräch mit Günter Kaindlstorfer – Auskunft über das Buch, über ihre Kindheitslektüren und über den Widerstand im Krieg:

Anna Baar wird mit dem Humbert-Fink-Literaturpreis 2020 der Landeshauptstadt Klagenfurt ausgezeichnet!



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